Life-Update #1: Warum 2024 hart war.
- helloateliersisu
- 22. Aug.
- 8 Min. Lesezeit

Eine weise Person sagte mir mal: "Frau Serwe, buddeln Sie ihr Loch nie so tief, dass Sie nicht mehr rauskommen." Frau Serwe in 2024: Loch ist so so tief wie der Marianengraben und ich komme nicht mehr raus. Als ich in 2023 diesen Blog hier gelauncht habe, gab es bereits so einige Anzeichen, die auf einen saftigen Burn-Out hinwiesen. Die Wochen waren lang, das Leben zu viel und ich rettete mich von einer Reise zur nächsten. Diese Reisen waren durchaus auch heilend. So zum Beispiel ein Roadtrip in die Bretagne mit dem Camper meiner Eltern. Daraus sind drei Blog-Beiträge entstanden. Doch so ganz wollte es mit dem Blog und mit meinem Lebensmodell nicht zündeln. Eine Schreib-Blockade kam relativ zügig. Vielleicht auch deswegen, weil ich meine Gedanken und mich selbst so lange vernachlässigt hatte und wenn sie mal hochpoppten, ich sie nicht auf Papier bekommen habe. Privates Journaling ging, sogar sehr gut. Aber finde mal Worte für einen öffentlichen Blog, wenn womöglich Arbeitgeber und deine Kollegschaft deinen Blog lesen. Auf der Arbeit "hui" und privat "pfui". Es ging einfach nicht.
Mein Name ist Burn-Out und wer bist du?
Ende 2023 war es dann soweit, dass ich einfach nur noch weg wollte. Tapetenwechsel, aber pronto. Alles war öde und zugleich überfordernd. Mein Kopf wechselte wie ein Duracell-Hase seine Modi von "ich habe keine Zeit, es ist noch so viel zu tun" zu komplettem Brain-Fog. Ein unbändiges Gedanken-Wollknäuel, was begann Feuer zu fangen. Also, buchte ich einen Flug nach Málaga zu meinen Eltern, die im Süden überwinterten. Ich hatte uns eine tolle Wohnung am Meer mit Dachterasse gebucht und war bereit für Tapas, Sonnenschein, Seeluft und viele Trauben zu Silvester - und damit ready für einen Neustart in 2024. Ich merkte, wie ausgebrannt ich war. Schlafmangel hatte ich schon länger. Neu war, dass ich super nah am Wasser gebaut war. Mit Tränen sagte ich meinem Boy "bis nächstes Jahr" und zog davon. Das kommt selten vor. Ich vermisse Menschen, aber nicht, wenn ich nur 10 Tage unterwegs bin. Ich schob es auf PMS und auf ein anstrengendes Arbeitsjahr 2023. Da ahnte ich noch nicht, dass das Jahr 2024 es faustdick hinter den Ohren haben würde. Wir hatten einen erholsamen Aufenthalt, der aber durch den plötzlichen Tod eines Familienfreundes überschattet wurde. That´s life, but it sucks. Mein Rückflug stand an und eine sehr emotionale Verabschiedung von meinen Eltern. Ich wollte sie nicht loslassen. Ich stand in der Sicherheitsschlange, schaute zu wie meine Eltern gingen und immer kleiner wurden.
Zwischen Alltag und Eisbergspitze
Zurück im deutschen Alltag und Unruhen im Büro, wollte das Jahr 2024 sich nicht wirklich von der besten Seite zeigen. Der Winter zog sich, die Auszeit in Málaga rückte in die Ferne und auf Pläne für das laufende Jahr hatte ich auch keinen Bock mehr. Bis dann der März kam. Im März ruckelte mein System. Keine neuen Uploads in Sicht, nur alte Downloads, die sich nicht mehr nach mir anfühlten. Mein Rechensystem war stark beansprucht, die Treiber alt. Nichts passte mehr. Die Kleidung im Übrigen auch nicht...Ich ließ mich eine Woche krankschreiben, um klarzukommen. Ich war leer, einfach nur leer. So leer, wie ein Schwimmbad, wenn ein Kind reingekackt hat. Mit einem Zwischengang ins Büro, der geschmacklich fad war, kam dann im April der Hauptgang, den ich nie bestellt habe. Ein großer Teller Trippa alla "Confuso" (für alle, die nicht wissen was Trippa ist: Kutteln, eine italienische Spezialität - für mich jedoch Bäh!). Von einem Tag auf den anderen, konnte ich nicht mehr aufstehen, geschweige denn mich irgendwie verständlich ausdrücken. Hatte jemand über Nacht meine Festplatte und Arbeitsspeicher gelöscht? Ich ging zum Hausarzt und weinte in der Praxis. Viel gesagt habe ich nicht. Es folgte die nächste überschaubare Krankschreibung. Da hieß es noch "Erschöpfung". Ja, ich war erschöpft. Erschöpft von vielen Krisen im Büro, erschöpft von Krisen innerhalb der Familie, erschöpft von den 20ern, in denen ich umherirrte, mehrere Jobs gleichzeitig hatte, um mein Studium zu finanzieren und insgesamt meinen Platz im Leben suchte (wie viele andere Menschen in diesem Alter). Ich war erschöpft von der Rolle, die ich spielte. Ein "Wannabe"-Theaterstück - mit mir in der Hauptrolle. Wer war ich eigentlich außerhalb der Bretter, die die Welt bedeuten? Ich war überfüllt mit Optimierung, las einen Ratgeber nach dem anderen, hörte Laura Malina Seiler hoch und runter, hatte neben den vielen Ausbildungsabschnitten, einen Master mit Auszeichnung in der Tasche, einen Führungsjob mit einem Brutto-Gehalt von dem viele träumen (als Soziologin), ein Haus gekauft, eine 20-jährige Beziehung mit meinem Boy. Alles tutti frutti. Ein Leben, was erstrebenswert erscheint. Jetzt fehlte eigentlich nur noch eine Hochzeit, Kinder und Urlaube während der Schulferien. Juhuuu! Das ist es doch, was meine Peer-Gruppe macht. Oder nicht?!
Good Vibes only?
Wenn ich Kritik zu diesen Zukunftsaussichten in meinem sozialen Umfeld thematisierte, schaute ich nur in fragende und schweigende Gesichter. "Midlife-Krise mit Mitte 30?" Dafür sei ich doch noch viel zu jung. Die kommt nach Lehrbuch erst Anfang/Mitte 40. Es soll nicht "weiter, höher, besser" in deinem Leben gehen?, "Keine Kinder, bist du dir da wirklich sicher?", "Sei doch zufrieden, jetzt kannst du die Lorbeeren ernten!"oder "Erst, wenn man Kinder bekommt, ist man richtig erwachsen!" Von allen Seiten kamen ungefragt Ratschläge, fast so als hätte ich die Büchse der Pandora geöffnet. War ich im Begriff einen Fehltritt zu machen? Mein Kopf war voll mit Gedanken und Meinungen anderer. Ich war zum besten People Pleaser aller Zeiten herangewachsen. So lange ich nicht hinterfragte, war alles gut. Doch spätestens im Mai 2024 wusste ich, dass ich die Reißleine ziehen musste und es so nicht weitergehen konnte. Ich musste raus, raus aus meinem Leben, raus aus dem Job, raus aus Allem. Vor allem wollte ich den stereotypischen Zwängen, die unsere Gesellschaft formt und weitergibt, entfliehen. Ich hatte keinen Bock mehr auf "weil es alle so machen". Aus meinem Umfeld kamen bereits die ersten Fragen, was mit mir los sei - so nach dem Motto, es müsse doch jetzt mal gut sein. Meine "schlechte Laune"fiel unangenehm auf. Sie war nicht akzeptiert. Ich hatte das Gefühl von "friss die Good Vibes oder stirb"("stirb" im übetragenen Sinne). Natürlich war da auch Fürsorge dabei. Menschen, die sich wöchentlich nach mir erkundigten. Menschen, die mir kein schlechtes Gewissen einredeten. Bei ihnen durfte ich einfach sein.
On repeat: Töpfern, lesen und schlafen
Das Jahr 2024 wurde mit jeder neuen Krankschreibung immer ruhiger und ruhiger. Ich fing wieder an zu töpfern und konnte bei der zen-artigen Stille im Atelier komplett abschalten. Meine Kontakte beschränkten sich bewusst auf meine Herkunftsfamilie, ein paar wenige sehr gute Freunde und Bekannte, eine Töpferin und meine Hühnies. Im Sommer ebbte mein überreiztes System langsam ab. Es gab immer noch krasse Down-Phasen und die große Frage, nach dem Sinn des Lebens. Doch es wurde allmählich leichter, auch, weil das Außen endlich mal leise war. Ich fing wieder an zu atmen und mich zu spüren. Es war fast so, als hätte sich mein Kopf und mein Körper irgendwann von einander entkoppelt und nun würden sie langsam wieder Freundschaft schließen. Der dominate Kopf rückte in den Hintergrund und der Körper übernahm. Ich las jeden Monat ein Buch, schaltete oft das Handy aus und hielt mich fern von Social Media und Co. Schritt für Schritt näherte ich mich einer Idee von Lebenskonzept an, welches mich nicht mehr einengen wollte, welches mir Luft gab und wo Platz war, mich die nächsten Jahre frei zu entfalten. Im Herbst letzten Jahres kam noch mal eine düstere Phase, verbunden mit dem typischen Herbst-Blues. Doch ich hatte nun Eckpfeiler, die mir halfen, dass das Loch nur noch pfützentief wurde: Therapie, Routinen, wenige Termine, Töpfern. Keine tiefen Gräben mehr in Sicht.
Kündigen und gründen?
Jetzt stand nur noch eine Frage im Raum: Wie soll es beruflich weitergehen? Kündige ich und beginne komplett neu? Oder kehre ich zu meinem Job zurück und melde meine Töpferei als Nebentätigkeit an? So ganz klar war es mir nach Monaten der innerlichen Revue immer noch nicht. Ich entschied mich also im Herbst einen drei-monatigen Gründerkurs bei Nora & Caro von The Founders Circle Academy zu machen, um endlich zu schauen, ob meine Ideen Wirklichkeit werden könnten. Seit dem Abi und meiner Mode-Ausbildung hatte ich immer vor Augen, dass ich mich selbstständig machen möchte. Ich schreibe seit fast 20 Jahren Notizbücher mit Geschädftsideen voll. Irgendwann musste es doch mal losgehen! Und wenn ich eines im letzten Jahr verstanden habe, dann, dass Perfektion keinen Platz bei der Gründung hat. Wenn ich wirklich gründen möchte, heißt das für mich persönlich: Ich starte mit einem halbfertigen Keller-Atelier, mit nackten Wänden, die nach und nach zur Leinwand werden. Ich starte mit zero Kapital und baue mir mein Business Schritt für Schritt langsam auf - mit allem, was dazu gehört. Ich übernehme Verantwortung für mich und mein Leben. Es ist eine neue Verantwortung. Eine Verantwortung, die sich nicht auf andere Personen oder auf die Beteiligung des Arbeitgebers konzentriert. Eine Verantwortung, die zu 100% dadurch entsteht, dass ICH meine eigenen Entscheidungen treffe. Ich habe in den drei Monaten viel über mich und meine Ideen erfahren, viel Feedback von anderen Gründerinnen bekommen und konnte mich nach und nach meinen Ängsten stellen.
Atelier Sisu
Und da war sie meine Idee. Ein Keramikstudio gründen, welches meinen Bedürfnissen entspricht, welches sich flexibel an meine Lebensphasen anpassen kann und welches ich erstmal ganz alleine führen werde. Ein Keramikstudio, welches Keramik herstellt und verkauft, aber auch Kurse anbietet. Achtsame Kurse, wo Menschen ihren Alltag loslassen können und wo sie lernen wieder mit den Händen zu arbeiten. Langsam formten sich die ersten Konzepte im Kopf. Und als wäre es ein Zeichen vom Universum gewesen, schrieb mir kurz vor Weihnachten eine liebe Töpferin aus der Gegend. Es war im Rahmen einer Rundmail. Gar nicht mal an mich gerichtet. Wir hatten schon länger keinen Kontakt mehr gehabt. Das letzte Mal war ich 2021 und 2022 bei ihr in den Kursen, doch dann kam eine deftige Knie-OP dazwischen. Ich schrieb ihr zurück und wünschte frohe Feiertage. Als ich das nächste Mal mein Email-Postfach öffnete, war wieder eine Email von ihr dabei. Diesmal an mich persönlich gerichtet. Ich war gespannt: "Liebe Merlina, toll von dir zu hören. Ich sehe deine Keramiken und die Fortschritte, die du gemacht hast. Dann falle ich mal mit der Tür ins Haus. Hast du Lust Kurse bei mir zu geben?" Ich konnte es nicht fassen. Ich las die Email noch einmal. Erst kam ein kleiner Anflug von Angst hoch. Die typischen Gedanken machten sich breit: Kann ich das? Ist es dafür nicht zu früh? Ich antwortete ihr, dass ich es mir überlege und klappte den Laptop erstmal zu. Natürlich ließen mich meine Gedanken nicht in Ruhe und ich versuchte liebevoll zuzuhören. Manchmal wurde ich innerlich auch laut, wenn mir mein Ego wieder sagen wollte, dass ich nicht (gut) genug bin.
Hallo 2025
Das Jahr neigte sich dem Ende zu und das neue Jahr 2025 stand vor der Türe. Es gingen noch ein paar Monate ins Land und ich entschied zurück zu meinem Arbeitgeber zu gehen. Ich brauchte mein gewohntes Arbeitsumfeld, um wieder in den Alltag zurückzukehren. Es gab mir zu dem Zeitpunkt die nötige Sicherheit, die ich brauchte, um nebenbei mein Business aufzubauen. Im Mai war es dann soweit. Mit großer Aufregung und vielen Fragen fuhr ich an die Arbeit und startete nach über einem Jahr meine Wiedereingliederung. Doch diesmal war ich frei. Frei von emotionalem Stress, den man sich nach 10 Jahren Krisenmanagement beim gleichen Arbeitgeber durchaus einfangen kann. Ich hatte nun nach einem Jahr Pause, die nötige emotionale Distanz, die es brauchte, um einfach einen 9-to-5 Job zu machen. Ich brauche grade keine Karriere oder mehr Gehalt. Nach 4 Monaten im Büro, weiß ich jetzt, dass ich diesen Job gut machen kann, ohne mich direkt zu verausgaben. Es reicht auch, wenn ich mal "nur" 80% gebe. Es müssen nicht mehr die 100% und darüber sein. Das, was an Energie noch übrig ist, genieße ich. Ich setze diese Energie sparsam ein, wie ein Bankkonto. Ich achte auf meine Ausgaben und habe ein Sparziel vor Augen. Ich setze klare Grenzen. Gegenüber mir und gegenüber anderen. Wenn es aber doch mal wieder turbulenter wird, dann habe ich nun aber das Werkzeug, um die Stellschrauben so zu drehen, dass der Druck weniger wird. Hallelujah!!!
Ausblick
Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, weiß ich, dass da noch so viel Tolles und Großartiges auf mich wartet. Ich werde hier auf dem Blog wieder regelmäßig schreiben und habe eine komplette Keramikwelt vor mir, die ich erkunden darf. Seit Juli gebe ich meine ersten Kurse in einem lauschigen Töpferatelier bei Marburg. Es liegt inmitten eines Klostergartens. Umgeben von Natur und einer Ruhe, die erdet. Die Kurse machen wie erhofft super viel Spaß und ich freue mich auf alles, was da noch kommen mag. Ganz in meinem Tempo und ganz in meinem Stil.
Die Kurse könnt ihr hier buchen:
Ich freue mich auf Euch und sage jetzt schon mal
À bientôt
Mademoiselle Sisu
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